
Heute vor 144 Jahren wurde auf dem Ersten Vatikanischen Konzil (1869/1870) unter Papst Pius IX. (1846-1878) die Unfehlbarkeit und die oberste Richtergewalt (s.g. Jurisdiktionsprimat) des Bischofs von Rom beschlossen. Der Widerstand gegen diese in Schrift und Tradition nicht begründbaren Glaubensgrundsätze und die Exkommunikation der Gegner dieser Entscheidung waren der Anlass für die Entstehung der Alt-Katholischen Kirche. Wie die Gespräche zwischen der alt-katholischen und der römisch-katholischen Kirche zeigt (siehe: Auf dem Weg zur Kirchengemeinschaft mit Rom …) sind u.a. diese Beschlüsse von 1870 bis heute ein grundsätzliches Problem in der Annäherung zwischen den beiden katholischen Kirchen.
Schon kurz nach der Exkommunikation schlossen sich die Ausgeschlossenen zu eigenen Gemeinden zusammen und legten ein enormes Reform-Tempo an den Tag. Ein eigener Bischof wurde gewählt und geweiht, die Synodalität (also das Mitsprache- und Mitbestimmungsrecht aller Kirchenmitglieder) wurde die Grundstruktur der Kirche, die verpflichtende Ohrenbeichte und der verpflichtende Zölibat wurden abgeschafft, die Landessprache in den Gottesdiensten dafür eingeführt.
Schnell kam es auch zu engen ökumenischen Gesprächen mit den anderen Konfessionen bis hin schließlich zur Kirchengemeinschaft u.a. mit der Anglikanischen Kirchengemeinschaft oder der Philippinischen Unabhängigen Kirche. Voraussichtlich 2016 werden die alt-katholischen Kirchen der Utrechter Union in Kirchengemeinschaft mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche von Schweden gehen. Zwischen der deutschen alt-katholischen Kirche und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) besteht darüber hinaus eine Vereinbarung zur gegenseitigen Einladung zu Abendmahl und Eucharistie.
Eine der letzten Reformen war die Einführung der Frauenordination, also der Möglichkeit, dass Frauen Diakoninnen, Priesterinnen und Bischöfinnen werden können (vgl. u.a. „Anja Goller fünfte Alt-Katholische Priesterin in Deutschland„). Im September diesen Jahres werden wieder drei Frauen zu Priesterinnen geweiht werden.
Genau wie die Anglikanischen Kirchen sind die Alt-Katholischen Kirchen von Rom unabhängige Kirchen, die darauf bauen, dass Gottes Geist in allen Christenmenschen wirkt, und daher auch alle gemeinsam den Weg der Kirche bestimmen. Erst dadurch konnten diese Reformen in die Gänge kommen.