Predigt zu Lukas 2,1-14
Es ist viel von Licht die Rede in diesen Texten, die wir heute aus unserer Heiligen Schrift, der Bibel, zu hören bekommen haben: „Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht, über denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf“ und das göttliche Licht, der „Glanz des Herrn“ umstrahlt den Engel, der den Hirten die frohe Botschaft von der Geburt Jesu verkündet.
Und nicht nur in den Schrift-Texten taucht dieses Motiv auf. Auch in den Liedern dieses Gottesdienstes haben wir gesungen von Himmelslicht, welches zu scheinen beginnt und von hellen Liedern, welche die Engel singen.
Passend in diese dunkle Jahreszeit mit den langen Nächten und den kurzen Tagen, in denen wir jedes Quentchen Licht auskosten.
Mitten in der Nacht der Welt strahlt mit der Frohbotschaft von der Messiasgeburt dieses göttliche Licht auf.
Und es wird zunächst denen verkündet, die nach dem Denken der damaligen Zeit Außenseiter der Gesellschaft waren und – sprichwörtlich – im Schatten standen: Den Hirten. Menschen, die zur Zeit Jesu gesellschaftlich verachtet waren. Man sagte ihnen Unehrlichkeit nach. So durften sie vor Gericht kein Zeugnis abgeben, waren also nicht im Besitz der „bürgerlichen Ehrenrechte“. Von den Pharisäern wurden sie verachtet und galten als vom messianischen Heil ausgeschlossen, weil sie aus Berufsgründen die Reinheitsvorschriften und die Sabbatbestimmungen nicht beachten konnten. Sie wurden in einem Atemzug mit den Zöllnern und Prostituierten genannt, die einen ähnlich schlechten Leumund hatten.
Ihnen, die einen schlechten Ruf haben, wird durch den Engel Gottes als Ersten diese Botschaft verkündet. Ihnen, die aus welchen Gründen auch immer im Dunkel sind, die auf der Schattenseite des Lebens und der Gesellschaft stehen. Nicht denen, welche die Sonnenseite des Leben genießen dürfen. Nicht die Herrscher und Könige, nicht die etablierten Bürgerinnen und Bürgern, sondern die Habenichtse sind die ersten Adressaten der Botschaft von der Geburt Jesu, des Erlösers.
Mit denen am Rand der Gesellschaft hat Jesus auch später immer wieder die Gemeinschaft gesucht, hat sie das Licht der bedingungslosen Liebe Gottes spüren lassen. Er hat ihnen Gottes großes, vorbehaltloses Verzeihen zugesprochen und mit ihnen Tischgemeinschaft gehalten – ein Verhalten, über das sich das fromme und etablierte Establishment oft genug den Mund zerrissen hat (vgl. Lk 7,34-50 u.a.).
Von daher ist auch der Geburtsort Jesu programmatisch: Jesus wird im Stall geboren und in eine Krippe gelegt, nicht im Palast mit einem weichen Kinderbettchen. Unter diesem Stall darf man sich eine Höhle vorstellen mit Steintrögen und in den Fels gehauenen Futterkrippen, in denen während der kalten Jahreszeit die Schafe gehalten wurden.
Eine solche Geburtsgeschichte steht im Kontrast zu der damals verbreiteten zeitgenössischen Erwartung eines machtvoll-kriegerischen davidischen Messias. Dieser Kontrast wird auch schon bei der Einleitung des heutigen Evangelien-Textes deutlich: Der Erlass des Kaisers Augustus, des damaligen weltlichen Herrschers, ist der Anlass zu der Messiasgeburt in der Krippe in Betlehem, der Stadt Davids, des Stammvaters der Israeliten. Ein klarer Kontrast zwischen dem Weltenherrscher Augustus mit all seiner Macht und dem in Niedrigkeit geborenen wahren Retter und Herrn der Menschen wird erkennbar. Die Kleinheit und Unscheinbarkeit weist den Erwähnten aus – wie es auch schon bei David selber war (1 Sam 16,1-13).
In seiner Bergpredigt nennt Jesus bei den Seligpreisungen dann auch die Armen als Erste: „Selig seid ihr Armen, den Euch gehört das Gottesreich“ (Lk 6,20 / Mt 5,3). Und über sich selbst sagt Jesus in seiner ersten Predigt: „Gott hat mich gesandt, den Armen die frohe Botschaft zu verkünden und den Gefangenen Freiheit …“ (Lk 4,17ff).
Die Armen und Elenden sind die, die von der Welt nichts zu erwarten haben, aber von Gott alles erwarten. Es sind die auf Gott Angewiesenen, aber auch die auf Gott Sich-werfenden, denen die befreiende Botschaft des Evangeliums gilt.
Was diese Menschen vereint ist die Tatsache, dass sie an die Grenzen der Welt und ihrer Möglichkeiten gestoßen sind. Die Armen, die nicht in das Gefüge der Welt passen und deswegen vielleicht auch der Welt nicht passen. Die Hungernden und Dürstenden, die nicht leben können ohne die Gerechtigkeit, die Gott allein ihnen zusprechen und in der Welt aufrichten kann.
Ihnen kommt Gott in der Geburt Jesu im Stall zu Betlehem auf Augenhöhe entgegen. Aber nicht im Sinne einer billigen Jenseitsvertröstung, sondern mit der Botschaft: Gottes Herrschaft kommt zu Euch!
Das ist für uns Christinnen und Christen, die wir uns in der Nachfolge Jesu von Nazaret sehen, die Aufforderung, die Herausforderung, der Anspruch, den die Nachfolge an uns stellt. Wir können und dürfen uns nicht mit dieser Welt und den Strukturen dieser Welt abfinden. Diese Strukturen: Sie sind für uns der Ort, an dem sich unser Glaube erweist.
Nicht der Glaube oder der Kirchgang allein macht die Christinnen und Christen zu besseren Menschen, sondern ihr Verhalten. Zahlreiche Gleichnisse Jesu, wie beispielsweise das vom barmherzigen Samariter, sprechen diese Sprache und erzählen genau davon (Lk 10,30-37).
Die Gestalten, die nach dem Zeugnis der Evangelien Jesu Hilfe erfahren, sind durchweg Gestalten am Rande, Menschen, die auf Grund ihres Schicksals, ihrer Schuld oder auch des herrschenden Vorurteils als Gezeichnete und Ausgestoßene gelten: Kranke, die nach dem Vergeltungsdogma der Zeit ihre Krankheit als Strafe für begangene Schuld tragen müssen. Schuldiggewordene, von denen sich der Fromme geflissentlich fernhält. Hirten, Prostituierte und Zöllner, die man von der Gemeinschaft ausschließt, weil ihre Berufe sie unrein machen und sie kein Umgang für einen anständigen Menschen sind.
Gottes Ja zum Menschen ist radikal. Es ist ein Ja zum Menschen in seiner Armut und Fragwürdigkeit. Die Sorge für die Armen im weitesten Sinne ist von der Verkündigung der Christus-Botschaft nicht zu lösen. Deshalb darf sich die Kirche, dürfen wir als Christinnen und Christen, uns nie in einem wie auch immer gearteten Estabilshment einrichten. Unser Platz muss immer auch und gerade bei denen sein, die „draußen“ sind.
In Jesu Leben und Vorbild, in Jesu Wort und Tat wird die Liebe Gottes zu den Menschen erfahrbare Realität. Uns, die wir in der Nachfolge Jesu stehen, ist die Aufgabe geben, diese Liebe Gottes mit unserem Reden und Handeln weiterzugeben. Daran erinnert uns die Weihnacht. Daran soll uns eigentlich jeder Gottesdienst erinnern.
Lasst uns als weihnachtliche Menschen leben. Lasst uns das Licht Christi in die Welt tragen, gerade auch zu denen, die im Dunkel wohnen. Damit die Welt immer heller von Gottes Liebe erstrahlen möge.