
GASTBEITRAG von Pfarrer Cornelius Schmidt, alt-katholische Pfarrgemeinde Krefeld
Alle Jahre wieder kommt das Christuskind. Legt die Waffen nieder, weil hier Kinder sind!
2014 wird es einhundert Jahre her sein, dass der erste Weltkrieg begann. An einem Heiligen Abend in dieser verheerenden Zeit war die leicht abgewandelte erste Strophe des alt bekannten Weihnachtsliedes an die durch Granaten schon schwer beschädigte Mauer eines Kinderheims in Lothringen gepinselt worden.
Tatsächlich bewirkt hat dieser Appell aber leider nichts. Damals nicht und auch heute ist er schon vergessen, ein winziges Detail der Menschheitsgeschichte, die leider nach wie vor in großem Maße Kriegshistorie geworden ist.
„Ehre sei Gott, denn ER ist der höchste – und Frieden den Menschen auf Erden“ heißt es im Weihnachtsevangelium nach Lukas. Wir hören das – alle Jahre wieder. Wir sind zufrieden und freuen uns, dass in Deutschland seit fast sieben Jahrzehnten kein Krieg mehr geführt wurde. Das ist immerhin die längste Friedensperiode innerhalb Mitteleuropas seitdem es Geschichtsschreibung gibt.
Aber lautet die christliche Weihnachtsbotschaft denn: „Frieden den Menschen in Europa“? Wir reden dauernd von „Globalisierung“ und „Die Erde ist ein Dorf“. Solange wir billig Kaffee, T-Shirts und Tropenholz im Ausland einkaufen sowie Autos, Werkzeugmaschinen und Chemikalien dorthin verkaufen können, finden wir das auch sehr gut. Wir sind stolz darauf, praktisch seit 1960 bei der jährlich stattfindenden „Export-Olympiade“ immer wieder „Weltmeister“ geworden zu sein oder mindestens mit auf dem Treppchen der ersten Drei gestanden zu haben. Doch bringen wir anderen Ländern damit nur Frieden?
Nein, wir exportieren auch Krieg! Wer will, kann jeden Tag im Wirtschaftsteil aller möglichen Zeitungen lesen, wie das geht. Beim Waffenexport liegt unsere Nation global seit geraumer Zeit an dritter Stelle aller Länder der Erde, denn deutsche Waffen sind technisch perfekt und sehr begehrt. Wird der Tod bald wieder ein Meister aus Deutschland?
Was sagen denn die meisten Deutschen dazu? Nichts – denn sie werden ja auch gar nicht gefragt! Und selbst wenn sie gefragt würden, dann hätten sie nichts zu entscheiden.
Unsere Verfassung legt eindeutig fest (Grundgesetz, Artikel 26, Absatz 2):
„Zur Kriegsführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung DER BUNDESREGIERUNG hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden.“
Das Sagen hat bisher also ein geheim hinter verschlossenen Türen tagendes Gremium – das Parlament kann da nichts machen. Die entscheidenden Minister behaupten, dem Staat Israel beistehen zu müssen und erlauben gleichzeitig Panzer-Lieferungen an Saudi-Arabien. Sie beklagen den Einsatz von Kindersoldaten in Afrika und genehmigen im selben Atemzug „Kleinwaffen“-Exporte genau dorthin – während Millionen Kinder verhungern.
(Als Kleinwaffen gelten auch Handgranaten, Minen und Maschinenpistolen. Mordwerkzeuge also, die laut Kofi Annan, früher Generalsekretär der Vereinten Nationen, „als Massenvernichtungsmittel bezeichnet werden können“. Durch „Kleinwaffen“ sind seit 1945 mehr Menschen getötet worden als im gesamten 2. Weltkrieg.) Derartige Fakten vermitteln uns geradezu ein Gefühl ohnmächtiger Hilflosigkeit.
Hunderttausende denken: „Einer allein kann ja doch nichts ändern…“ und singen folgenlos weiterhin rührende Weihnachtslieder vom Frieden in der Welt. Natürlich kann einer allein nicht unsere Regierenden überzeugen, auch eine kleine Kirchengemeinde allein kann das nicht tun. Doch jede Bewegung braucht einen Anfang, wir benötigen Bündnisse und Partnerschaften, die gemeinsam handeln. Unsere Krefelder Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen, deren Vorsitzender ich seit einem Jahr bin, hat am 15.7. in der Mennoniten-Kirche gemeinsam mit dem Krefelder Friedens-Bündnis eine Podiumsdiskussion durchgeführt, an der sich Kandidaten aller im Bundestag vertretenen Parteien beteiligt haben. In der überfüllten Kirche waren auch zehn Menschen aus unserer Gemeinde dabei, darunter Andrea Behling als Anwältin des Publikums.
Es wurde zum Thema „Deutsche Entwicklungshilfe- und Rüstungspolitik“ eine Vielzahl von Problemen angesprochen, die den beteiligten Politikern teilweise unbekannt und deren Erörterung in einigen Punkten ihnen auch merklich unangenehm waren. Dennoch gab es nach sehr kontroverser Debatte wenigstens eine Übereinstimmung:
Der oben zitierte Artikel des Grundgesetzes muss geändert werden. Die Genehmigung von Waffenexporten sollte Sache des gesamten Bundestages sein und künftig vorher öffentlich diskutiert werden müssen.
Alle Beteiligten haben zugesagt, jeweils in ihrem Bereich darauf hinzuarbeiten, dass dieses Ziel erreicht werden kann: Die Abgeordneten in ihren Parteien und die Gläubigen in ihren Kirchen.
Am besten wäre natürlich ein Verbot aller Waffen-Exporte, aber das wird die Lobby der einschlägigen Industrie mit „Sicherheit“ zu verhindern wissen.
Deshalb sollte unsere Gemeindeversammlung wenigstens einen Antrag an die Bistumssynode 2014 beschließen, der deutsche Waffenexporte künftig von der Genehmigung des Bundestages abhängig sein lassen will.
Ein erster kleiner Schritt auf dem langen Weg zu einem Frieden für ALLE Völker.
Beste Wünsche für eine nachdenkliche Adventszeit und ein friedlicheres neues (Kirchen-) Jahr!
Cornelius Schmidt