Heute dürfte wieder Hoch-Zeit in Orvieto sein. Denn im dortigen Dom wird das blutbefleckte Messtuch aufbewahrt, auf welches das heute in katholischen Gebieten gefeierte Fronleichnamsfest zurück geht.
Hintergrund dieses Festes ist die römisch-katholische Lehre von der ‚Transsubstantiation‘, also der realen Verwandlung von Hostie und Messwein in den realen Leib und das reale Blut Christi (das geht noch über die auch von alt-katholischer Seite vertretene Auffassung von der Realpräsenz Christi in Brot und Wein hinaus). Diese Lehre wurde 1215 von der römisch-katholischen Konfession (Viertes Laterankonzil) zum “Dogma”, also zur von allen verbindlich zu glaubenden Lehre erhoben.
Die Sage erzählt, dass ein böhmischer Mönch Zweifel an dieser von römisch-katholischer Seite vertretenen Lehre der Transsubstantiation gehabt hätte. 1263 habe er sich deswegen auf dem Weg zu Papst Urban IV. nach Rom begeben. In Bolsena zelebrierte er dabei eine Messe, bei der es dann zu dem Wunder kam: Aus der Hostie tropfte Blut auf das Messtuch (so genanntes “Corporale”) und bildete darauf ein Kreuz. Der Mönch eilte sofort zu dem sich im nahe gelegenen Orvieto aufhaltenden Papst, der dies als Zeichen der Bekräftigung der entsprechenden Lehre auffasste und das Fronleichnamsfest begründete, welches die Glaubenden an diese Lehre erinnern sollte.
Das blutbefleckte Corporale wiederum wird in einer Seitenkapelle des Doms von Orvieto aufbewahrt (kann man sich dort in einem Rahmen aufgespannt anschauen) und an jedem Fronleichnamsfest durch die Stadt getragen.
Wen ich mich mit der Geschichte des Christentums beschäftige, bin ich doch immer wieder erstaunt, welche Wunder und Mirakel Menschen scheinbar benötigen, um an Gott glauben zu können. Für mich grenzt diese Geschichte mit dem Corporale und dem darauf basierenden Fronleichnamsfest eigentlich schon fast eher an Zauberei und Hokuspokus (bezeichnend vielleicht, dass der Begriff ‚Hokuspokus‘ ja selber aus den lateinischen Einsetzungsworten ”hoc est corpus meus”: “Dies ist mein Leib” entstanden ist).
Mir fällt es schwer, daran zu glauben, dass Gott solche Zauberei stattfinden lässt, nur damit die Menschen glauben. Das heisst nicht, dass ich nicht an Wunder Gottes glaube, die in unserer Realität geschehen können. Aber ich glaube, dass diese Wunder Gottes eher in unserem Alltag geschehen, und der Zauber, der von ihnen ausgeht, nichts mit Zauberei zu tun hat, sondern vielmehr damit, dass Mitten unter uns ein Stückchen von dem Realität wird, was wir Christinnen und Christen “Reich Gottes” nennen.