Wie versprochen, hier nun mein bereits angekündigter Artikel zum Thema ‚Vaganten‘, der unter dem Titel ‚Vagantolisch‘ auch in der Mai-Ausgabe der alt-katholischen Monats-Zeitung Christen heute in gedruckter Form erschienen ist:

Vagantolisch

Ein alt-katholischer Blick auf den Unterschied zwischen Katholizismus und Vagantentum

Episcopi vagantes – wörtlich übersetzt ‚Umherschweifende Bischöfe’ – oder auch kurz ‚Vaganten’ sind ein Phänomen, welches dem kirchlich interessierten Mitmenschen immer mal wieder über den Weg läuft. Manchmal im wahrsten Sinne des Wortes.

Als ‚Vaganten’ werden solche ‚Bischöfe’ bezeichnet, die – meist von eben solch einem Vaganten – zum Bischof ‚geweiht’ werden, ohne dass sie eine Kirche mit Gemeinden oder einer nennenswerten Zahl von Mitgliedern haben, für die sie als Bischof fungieren und über welche sie die episcope, die Leitung des Bistums sowie die Aufsicht über den rechten Glauben, über das Verbleiben der eigenen Gemeinschaft in der Treue zu Schrift und Tradition inne haben. Sie geben ihren ‚Kirchen’ nicht selten Namen, die leicht eine Verwechslung mit der alt-katholischen Kirche zur Folge haben: ‚Alt-heilig-katholisch’, ‚Alt-Römisch-Katholisch’ u.ä. . Zudem sind sie häufig Solisten, d.h. nicht eingebunden in eine Gemeinschaft von Bischöfinnen und Bischöfen, in der sich diese u.a. gegenseitig über die Entwicklung in ihren Kirchen informieren, sich über strittige Fragen austauschen oder auch ggf. Rechenschaft über das Verbleiben im apostolischen Glauben geben.

Mit einem regulären, anerkannten Bischofssitz stehen diese ‚Bischöfe’ meist nicht in Beziehung.

Ein im Regelfall durchgängig anzutreffendes Phänomen in diesen Kreisen ist ein magisches Verständnis der ‚Successio Apostolica’, der Apostolischen Sukzession. Bei diesem Verständnis von apostolischer Sukzession ist es wichtiger, dass eine (scheinbar) ununterbrochene Linie der Weitergabe des apostolischen Amtes durch die in der Weihe erfolgende Handauflegung von den Aposteln bis zum entsprechenden Vaganten behauptet wird, als die Tatsache, dass der apostolische Glaube bewahrt bleibt. Entsprechend werden lange Listen geführt, die belegen sollen, dass man sich in dieser ununterbrochenen Abfolge von Handauflegungen befindet.

Günter Esser hat in seinem Beitrag mit dem Titel „Der Priester handelt in persona Christi“ in Christen heute 2/2012 bereits deutlich gemacht, dass dies dem Klerikalismus Tür und Tor öffnet und die Tatsache verbirgt, dass sich der kirchliche Dienst nur aus dem kirchlichen Gesamtzusammenhang legitimiert und darin begründet. Kurz: Der kirchliche Dienst / das Amt ist für die Kirche da, nicht die Kirche für das Amt. Esser macht dagegen in seinem Beitrag deutlich, dass Geistliche „immer auch im Auftrag und stellvertretend für die Kirche [handeln], die sie für diesen Dienst bestellt hat.“ Neben einer Berufung und Sendung durch Christus stehe immer auch gleichwesentlich eine Berufung und Sendung durch die Kirche.

Der priesterliche Dienst ist ohne Gemeinde und der bischöfliche Dienst ist ohne Kirche nicht sinnvoll sondern aus verschiedenen Gründen sogar widersinnig. Deswegen werden Vaganten-Weihen und Weihen aus solchen Linien von den alt-katholischen Kirchen der Utrechter Union nicht anerkannt. Für die alt-katholischen Kirchen der Utrechter Union müssen folgende vier Kriterien für eine gültige Bischofsweihe erfüllt sein:

  • Sie muss von mindestens einem gültig geweihten Bischof durchgeführt werden.
  • Sie muss öffentlich sein.
  • Sie muss für ein tatsächlich bestehendes Bistum oder eine tatsächlich bestehende Gemeinde erfolgen.
  • Und sie muss unter Handauflegung und Herabrufung des Heiligen Geistes erfolgen.

Nicht zuletzt ist bei einer alt-katholischen Sichtweise auf das Vagantentum anzumerken, dass deren ‚Sukzessionen’ teilweise im Alt-Katholizismus ihren Ursprung haben. Prominentester Ausgangspunkt in diesem Kontext ist Arnold Harris Mathew, der im April 1908 unter Vorspiegelung falscher Tatsachen durch den damaligen Erzbischof von Utrecht, Gerardus Gul, unter Mitwirkung von Bischof Josef Demmel (Deutschland), Jacobus Johannes van Thiel (Haarlem) und Nicolaus Bartholomeus Petrus Spit (Deventer) zum alt-katholischen Bischof von Großbritannien und Irland geweiht worden ist. Nachdem klar wurde, dass es die von Mathew behaupteten alt-katholischen Unterstützer-Kreise und Gemeinden in Großbritannien gar nicht gibt und dass die entsprechenden Unterschriftenlisten gefälscht waren, wurde diese ‚Weihe’ nachträglich für ungültig erklärt. Dies hinderte Mathew allerdings nicht daran, seinerseits zahllose ‚Bischöfe’ zu weihen, auf deren ‚Linien’ sich nun entsprechend viele aktuelle Vaganten berufen.

Dabei ist anzumerken, dass das Vagantentum zwar überwiegend ein Phänomen des katholischen Zweigs der Kirchen ist, es aber auch im Protestantismus einige Gestalten gibt, selbst Pastoren, die sich – meist verborgen gegenüber der eigenen Landeskirche – über  Vaganten-Linien zu Bischöfen haben ‚weihen’ lassen. Es handelt sich hier im Regelfall um ‚hochkirchliche’ Gruppen wie beispielsweise das hochkirchliche Apostolat St. Ansgar, welches sich in seiner ‚Sukzessionslinie’ u.a. auf Mathew beruft.