Ökumene

Ich bin immer wieder überrascht, wenn von der alt-katholischen Kirche behauptet wird, sie sei eigentlich evangelisch (wobei ich jetzt die Konfessions-Bezeichnungen meine, nicht die übertragene Bedeutung; denn sich auf das Evangelium rückbeziehend, und damit ‚evangelisch‘ sind ja hoffentlich alle christlichen Kirchen …). Jüngstes Beispiel ist ein Kommentar unter einem Interview, welches evangelisch.de mit dem alt-katholischen Bischof Dr. Matthias Ring geführt hat (siehe Ökumene ist, dass man ein Stück Leben miteinander teilt) .

Die Behauptung, die alt-katholische Kirche sei konfessionell evangelisch, kann eigentlich nur jemand aufstellen, der sich mit dem Glauben und der Theologie der alt-katholischen Kirche nicht auseinandergesetzt hat. – Ich empfehle hier zur Vertiefung in Glaube und Theologie der alt-katholischen Kirche gerne beispielsweise die Betrachtungen zur Sakramenten-Theologie von Bischof em. Joachim Vobbe, welche unter dem Titel ‚Brot aus dem Steintal‘ erschienen sind (siehe Brot aus dem Steintal) oder auch den Bericht einer Dialog-Kommission zwischen römisch-katholischer und alt-katholischer Kirche (siehe Kirche und Kirchengemeinschaft; mein Blogbeitrag dazu: Auf dem Weg zur Kirchengemeinschaft mit Rom …?). Aber auch ein Besuch in einem alt-katholischen Gottesdienst mag ja bereits hilfreich sein, um möglicherweise bestehende Missverständnisse zu beseitigen.

Nach meiner Einschätzung dürfte eine entsprechende Betrachtung der alt-katholischen Kirche als krypto-protestantisch von der Tatsache her rühren, dass die alt-katholische Kirche eine reformorientierte katholische Kirche ist, die auf der alt-kirchlichen (!) Struktur der bischöflich-synodalen Verfasstheit beruht und in der deswegen alle Mitglieder Mitsprache- und Mitentscheidungsrecht besitzen. Oder sie speist sich aus der Tatsache, dass unsere Geistlichen – genau wie in der alten Kirche des ersten Jahrtausends – selber entscheiden können, ob sie heiraten wollen oder zölibatär leben. Oder ist es vielleicht die (allerdings auch in der römisch-katholischen Theologie verbreitete) historisch-kritische Herangehensweise an biblische Texte und kirchliche Traditionen? Oder unsere ökumenischen Beziehungen zu vielen anderen Kirchen, die auf eine – schon im Neuen Testament vorfindliche – Einheit in der Vielfalt hinzielen? Oder gar die Tatsache, dass die alt-katholische Kirche Frauen zu Diakoninnen und Priesterinnen ordiniert (Bischöfinnen sind nur noch eine Frage der Zeit)?

Aber vielleicht ist es auch das Bemühen, das Charakter-Merkmal ‚katholisch‘ für die römisch-katholische Kirche exklusiv zu bewahren, bevor zu viele bemerken, dass es ja doch noch andere katholische Kirchen gibt …