Deutschland in einem Super-Wahljahr. So dicht hintereinander wie selten ist unsere Stimme gefragt für das Europäische Parlament, Stadt- oder Landrat, die Verwaltungsspitzen, Bezirksvertretung, Land- und Bundestag. Da behalten nicht alle den Überblick. Und manche haben einfach keine Lust, sich zu entscheiden. Denn jede Wahl ist auch immer ein Schlusspunkt vieler Versprechungen, von denen die meisten gar nicht gehalten werden. Die eigentlichen Verlierer der Urnengänge sind damit die Wählenden. Kurt Tucholsky prägte das Zitat „Wahlen ändern nichts, sonst wären sie verboten“.
Sollte man also regelmäßig eine Menge Geld sparen und die Besetzung öffentlicher Ämter einfach auslosen? Aus biblischer Sicht gäbe es da ein Vorbild: Die Geschichte der Apostel beschreibt, dass diese auch nicht immer gewählt haben, sondern zum Beispiel Judas nach seinem Tod durch Losentscheid ersetzten. Der „Gewinner“ bei diesem Verfahren brauchte also nicht siegesbewusst oder sogar überheblich sein: er hatte ja einfach nur „Glück“ gehabt.
Nun hat unser Bischof seinen Rücktritt angekündigt. Seine Nachfolge wird nach unserem Kirchenrecht durch Wahl und nicht durch Los bestimmt. Trotz des oben genannten frommen Beispiels aus dem Neuen Testament halte ich eine solche Wahl auch für wichtig und wir sollten uns dabei von der Anhäufung scheinbar ähnlicher Vorgänge im politischen Bereich nicht ermüden lassen.
Es ist nämlich eine urchristliche Errungenschaft gegenüber autoritären Staatswesen, dass alle Mitglieder der Kirche – egal ob Reiche oder Arme, Prominente oder Sklaven – ihre Leitungskräfte selber wählen dürfen. Dieses alte katholische Recht bewahrt zu haben, darauf dürfen alt-katholische Gläubige stolz sein.
Ein Bischof muss auch nicht, wie das häufig bei Politikern der Fall ist, Koalitionen eingehen und dabei seine Ziele bis zur Unkenntlichkeit verwässern lassen. Damit erledigt sich in der Kirche zum größten Teil das Problem unhaltbarer Wahlversprechungen ganz von allein.
Wir haben die Möglichkeit auf breitester Basis, in Gemeindeversammlungen, bei gemeindeübergreifenden Versammlungen oder auch im Internet, miteinander ins Gespräch zu kommen und unsere Vorstellungen von den Schwerpunkten des bischöflichen Amtes zu erörtern. Wir können die konkreten Kandidaten befragen und intensiv mit unseren Synodeabgeordneten diskutieren.
Doch nun zum genaueren Ablauf:
Alle Gemeinden haben inzwischen Abgeordnete gewählt, die am 6. und 7. November in der Mannheimer Schlosskirche mit dem Bischof und der Synodalvertretung zu einer außerordentlichen Synode zusammenkommen werden. Diese Wahlsynode beginnt mit einer Eucharistiefeier, bei der in besonderer Weise darum gebetet wird, dass Gottes Heiliger Geist die Entscheidung ihrer Mitglieder lenke.
Alle Wählenden leisten gemeinsam folgendes Gelöbnis: „Ich gelobe, demjenigen meine Stimme zu geben, den ich nach bestem Wissen für den Geeignetsten halte.“
Die Wahlhandlung ist öffentlich, die Nichtwahlberechtigten müssen jedoch dem nur den Wählenden vorbehaltenen Bereich der Kirche fernbleiben.
Die Synodalvertretung beauftragt jemanden, der oder die nicht dem Klerus angehört, mit der Wahlleitung. Diese händigt den Wahlberechtigten ein Verzeichnis aller wählbaren Geistlichen aus und schlägt jemanden, der als Bischof nicht wählbar ist, für das Amt der Schriftführung und drei weitere aus diesem Personenkreis für die Stimmzählung vor. Dann erfolgt mit einfacher Mehrheit die Wahl für die Besetzung dieser Ämter.
Die anwesenden wählbaren Geistlichen werden nun von der Wahlleitung öffentlich gefragt, ob sie bereit wären, eine eventuell auf sie fallende Wahl anzunehmen. Alle, die diese Frage bejahen, erhalten das Wort für eine kurze Darstellung ihrer Haltung zum Bischofsamt. Dann erfolgt eine Aussprache, in der den Kandidaten auch Fragen gestellt werden können.
Nach einer Pause, das heißt bei dieser Synode also sehr wahrscheinlich: am Morgen des anderen Tages, erfolgt der erste Wahlgang: Die mit der Stimmzählung Beauftragten verteilen gesiegelte Verzeichnisse aller wählbaren Geistlichen als Stimmzettel an die Wahlberechtigten, damit geheime Wahl garantiert ist und nicht später durch wo mögliche Analyse der Handschriften Rückschlüsse auf das Stimmverhalten Einzelner gezogen werden können. Die Wählenden legen ihre Stimmzettel in vorbereitete Urnen. Anschließend werden die Stimmzettel zuerst gezählt und dann einzeln laut verlesen. Nach Abschluss der Verlesung werden sie versiegelt.
Gewählt ist, wer eine Mehrheit von mindestens 60 Prozent der abgegebenen Stimmen erhält. Wird diese Mehrheit im ersten Wahlgang nicht erreicht, so muss die Wahl solange fortgesetzt werden, bis die erforderliche Mehrheit erreicht ist.
Haben mehrere Wahlgänge stattgefunden, so ist auf Antrag, der von mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten unterstützt wird, eine öffentliche Aussprache oder eine Pause einzulegen. Geistliche, die bereit sind, eine Wahl anzunehmen, können sich dabei ohne weiteres zu Wort melden.
Wird die erforderliche Mehrheit erreicht, fordert die Wahlleitung den Gewählten auf, zu erklären, ob er die Wahl annimmt. Nimmt er die Wahl nicht an, so muss neu gewählt werden.
Sofort nach Annahme der Wahl legt der Gewählte folgendes Gelöbnis ab: „Ich gelobe, die Pflichten eines Bischofs gewissenhaft zu erfüllen und insbesondere die in unserer kirchlichen Grundordnung enthaltenen Bestimmungen zu befolgen.“
Über die Wahlhandlung wird eine Urkunde erstellt, die von allen Wählenden zu unterschreiben ist. Die Synode wird mit einem Bittgebet und einem Danklied abgeschlossen.
Die Weihe des neu gewählten Bischofs soll am Samstag vor dem Passionssonntag, dem 20. März 2010 stattfinden.
Artikel entnommen mit Genehmigung des Autors und der Redaktion aus „Christen heute – Oktober 2009″
Informationen zu den (bisher feststehenden) Kandidaten und deren Programmen auf diesem Weblog unter:
Fotograf/in: Tschörda – Quelle: http://www.flickr.de