Der Schriftsteller Heinrich Boell mag ja recht haben, wenn er in Bezug auf Assisi und die dortige Tourismus-Infrastruktur schreibt, dass auch er an solch einem Pilgerort irgendwo einen Kaffee trinken, schlafen, fruehstuecken, einen Stadtplan kaufen etc. will. Aber ob er bei seinem Aufenthalt in Assisi (soweit ich weiss 1959) auch nur Ansatzweise bereits mit der jetzt anzutreffenden Kommerzialisierung des Poverello (und zunehmend auch des mir sehr suspekten „Padre Pio“) konfrontiert war?
Es ist ja nicht nur so, dass man an allen Ecken und Enden mit Unmengen an San-Damiano-Kreuzen erschlagen und unzaehligen, haeufig genug suesslich-kitschigen Franziskus-Statuetten konfroniert wird. Nein, auch die Preise fuer Essen und Trinken haben in Assisi ein touristisch sehr hohes Niveau, so dass mich doch oftmals mehr das Gefuehl von „Abzocke“ beschleicht, statt die innere Einkehr zu finden, die ich eher in der Heimatstadt meines Lieblingsheiligen zu finden hoffte. – Wenigstens darf man die Kirchen noch besuchen, ohne Eintritt bezahlen zu muessen. Das ist, wie ein Besuch in Siena zeigt, auch nicht mehr in ganz Italien ueblich …
Etwas mehr Kommerzfreiheit und Ruhe fand ich dann allerdings in der „Eremo delle Corceri“ am Hang des Monte Subasio, wohin sich Franziskus und seine Gefaehrten immer wieder hin zurueckzogen (aber vielleicht hatte ich auch gerade Glueck, und kam zufaellig zu einem Zeitpunkt, an dem es dort eher ruhig war …).
Bis auf eine Devotionalien-Bude vor dem Eingang zu der Einsiedelei gibt es hier keinen Kommerz (jedenfalls konnte ich keinen feststellen). Hier wird auch ganz ausdruecklich um Stille in der gesamten Einsiedelei gebeten, und auf der weiten Waldflaeche kann man dann tatsaechlich auch die Voegel zwitschern hoeren oder an den zahlreichen Stellten unter dem dunkelgruenen Laub der Steineichen zur Ruhe kommen.
Sicherlich haengt das damit zusammen, dass die Haupt-Tourismus- und -Pilger-Stroeme sich auf die Stadt Assisi und die Kirche San Francesco konzentrieren, in der sich auch in einer Krypta das Grab des Franziskus befindet. Dort kann es einem in der Hauptsaison und an den Wochenenden aber leicht passieren, dass man von den Besuchermassen regelrecht erdrueckt wird.
Bei einer anderen ehemaligen Einsiedelei der fruehen Franziskaner ist diese Ruhe der Eremo delle Conceri eher nicht zu finden: Die Porziuncula (dt.: Keimzelle), in der die ersten Treffen von Franziskus und seinen Ordensbruedern stattgefunden haben. Urspruenglich stand die winzige Kapelle im Wald, dann wurde die monumentale und kuehle Barockkirche Santa Maria degli Angeli ueber dem Kapellchen errichtet; die Franziskuskapelle wird in diesem Prunkbau merkwuerdig deplaziert und verloren.
Gleich rechts hinter der Porziuncula steht in der Barockkirche auch noch die Capella des Transito (Uebergangskapelle), die ueber dem Ort errichtet wurde, an dem Franziskus am 3. Oktober 1226 schliesslich verstarb.
Fazit: Wer Franziskus und seinen Geist in Assisi finden will, der wird meines Erachtens wohl am ehesten in der Einsiedelei am Monte Subasio fuendig werden. Oder, wie bereits in meinem Gubbio-Beitrag erwaehnt, in der Kapelle vor den Toren Gubbios, wo Franziskus dem Wolf begegnet sein soll.
Und zum Abschluss dieses Beitrages noch ein kleiner Gelati-Tipp: Eis in Assisi selber zu essen ist eine teure Angelegenheit. Wie gesagt: Die Preise sind wahrscheinlich durch den Pilger-Tourismus schon zu sehr verdorben. – Wer allerdings mit dem Auto unterwegs ist, kann mit einem kurzen 10-Minuten-Tripp ins benachbarte Spello fahren und in die dortige Gelateria „Caffe Porta Consolare“ auf der Piazza J.F.Kenney 8 fluechten: Excellentes Eis zu Gubbio-Preisen! Absolut empfehlenswert!