Die alte Moral-Formel, dass man keinen Sex vor der Ehe haben darf wurde jetzt vom römisch-katholischen Bischof von Viterbo mal anders herum beantwortet: Wenn man keinen Sex haben kann, dann kann auch keine gültige Ehe eingegangen werden.
Aktuell geworden ist diese Frage vor dem Hintergrund einer geplanten kirchlichen Trauung zwischen einem 25jährigen Mann und seiner Partnerin in Italien. Der Bräutigam hatte vor etwa 5 Wochen einen schweren Autounfall und ist seit diesem Zeitpunkt von der Hüfte an abwärts gelähmt – entsprechend kann er wahrscheinlich nie ein Kind zeugen.
Dies nahm der derzeitige Bischof von Viterbo, Lorenzo Chiarinelli, zum Anlass, sein Veto gegen eine kirchliche Eheschließung einzulegen. Hintergrund ist das römisch-katholische Kirchenrecht. Nach Kanon 1084 des Codex Iuris Canonici (CIC), wie das römisch-katholische Kirchenrecht heißt, ist „der Ehebund von Mann und Frau hingeordnet … auf das Wohl der Ehegatten und auf die Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft.“ Wenn das nicht möglich sei, sei diese Verbindung aus ihrem Wesen heraus ungültig.
Ich finde diese kirchenrechtliche Argumentation sehr fragwürdig. Die Eheschließung ist nach katholischer Auffassung (egal ob Alt-Katholisch, Griechisch-Katholisch oder Römisch-Katholisch) ein Sakrament. Als Sakrament wird ein gottesdienstliches Tun bezeichnet, in welchem in menschlichen Worten, Gesten und Handlungen der Heilswille Gottes zum Ausdruck kommen und seine Wirklichkeit präsent werden soll. Verdichtet ist das nach katholischer Auffassung in den sieben Sakramenten, welche auf Jesus selbst zurückgeführt werden.
Für mich kommt das Heil und die Wirklichkeit Gottes überall dort zum Ausdruck, wo sich Barmherzigkeit und Liebe zeigen. Daher wird insbesondere in der Liebe zweier Menschen zueinander dieses Heil Gottes lebendig, ja vielleicht konkreter spürbar, als in irgendeinem anderen Fall.
Es ist für mich daher vollkommen unverständlich, ja schon fast un-heil-voll, dem Heilswillen Gottes widersprechend, eine solche Trauung zu verweigern. Und ich kann vollkommen verstehen, dass diese Entscheidung des Bischofs von Viterbo in den Foren, in denen sie diskutiert wird, auf sehr viel Unverständnis stößt: „Da war nicht nur das Brautpaar platt – denn auch ich wollte erst der Meldung nicht glauben, aber es passieren ja immer wieder die erstaunlichsten Dinge…“ (so z.B. Andreas Meißner auf dem Weblog www.theologisch.com) oder „Da soll nochmal jemand behaupten, man könnte einem Querschnittsgelähmten das Leben nicht noch mehr zur Hölle machen. Sollte der arme Mann (oder seine Frau) nämlich tatsächlich tief katholisch sein, dürfte er sich für den Rest seines Lebens über den Status seiner Ehe Gedanken machen (und kann sich zudem jede Woche im Beichtstuhl erneut dafür entschuldigen, dass er mit einer Frau zusammenlebt, ohne mit ihr verheiratet zu sein)“ (so Christian Reinboth in seinem Beitrag „Katholisch und impotent …“ auf dem Weblog www.scienceblogs.de/frischer-wind/).
Ich kann mich dem allgemeinen Kopfschütteln nur anschließen.
Das Paar hat übrigens mittlerweile standesamtlich geheiratet. Der Gemeindepfarrer der beiden war mit dabei.
Aufmerksam geworden auf diesen Fall bin ich durch einen Artikel in der gestrigen Frankfurter Rundschau: Kein Sakrament für Gelähmten. Bischof verweigert zeugungsunfähigem Bräutigam kirchliche Trauung.
Foto: indradado – Quelle: http://www.flickr.de