Ein geschichtsträchtiger Ort, den sich die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) ausgesucht hat, um ihren 60sten Geburtstag zu feiern: Die Lutherstätte Evangelisches Augustinerkloster zu Erfurt. – Hier war Martin Luther (1483-1546) im Jahre 1505 ins Augustinerkloster eingetreten, von hier aus hat er 1510 seine Rom-Reise angetreten, die möglicherweise einer der wesentlichen biographischen Erlebnisse war, die ihn schließlich zum Reformator der Kirche werden ließen.
Der ehemalige Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, Konrad Raiser, hielt bei dem Festgottesdienst am heutigen Abend eine sehr eindringliche Predigt, in der er sich auf den Text der heutigen ökumenischen Bibellese (Johannes 17,20-26) bezog. Er stellte dabei heraus, dass die anzustrebende Einheit der Christinnen und Christen kein Selbstzweck sei, sondern sei den Kirchen als Aufgabe im Dienst am Evangelium mitgegeben. Und diese Einheit sei dabei nicht auf dem Weg der Auseinandersetzung um Glaubenslehren zu erreichen, sondern solle etwas von der göttlichen Wirklicheit widerspiegeln, solle von der Nachfolge Christi erzählen. Und wir müssten uns bewusst sein, dass diese Einheit auch dann eine bleibende Aufgabe sei, wenn wir dazu kommen würden, keine Lehrunterschiede mehr unter uns konstatieren zu können; denn die Einheit sei immer ein lebendiger Prozess, nichts starres, festzuhaltendes.
Von daher wäre dieser 60ste Geburtstag der ACK und die beginnende Luther-Dekade, die 2017 in das 500ste Jubiläum der Geburtsstunde der Reformation, des Wittenberger Thesenanschlags gegen den Ablasshandel münden wird, im Sinne der ökumenischen Verständigung und der angestrebten Einheit der Kirchen in ihrer Vielfalt vielleicht eine gute Gelegenheit für die römisch-katholische Kirche gewesen, den 1521 von Papst Leo X. (+ 1521) exkommunizierten Luther zu rehabilitieren.
Gerüchte, dass Benedikt XVI alias Josef Ratzinger solch eine Rehabilitierung beabsichtigt, hatten bereits Anfang März die Runde gemacht (vgl. „Papst erwägt Rehabilitierung Luthers“). Der Papst werde im September erklären, dass Luther kein Irrlehrer gewesen sei und dass er die Kirche nicht habe spalten, sondern lediglich von korrupten Praktiken reinigen wollen. Quelle dieser Gerüchte war ein Bericht in der britischen Tageszeitung „The Times“.
Das Dementi ließ dann leider nicht lange auf sich warten. Radio Vatikan vermeldete, dass eine solche Rehabilitierung kirchenrechtlich kaum möglich sei; sie sei an eine Person gebunden und werde mit dem Tod dieser Person unwirksam (vgl. „Großbritannien: Haltlose Gerüchte um Rehabilitierung Luthers“).
Aber selbst, wenn dies – wovon ich ausgehe – nach römisch-katholischen Kirchenrecht korrekt ist, wäre ja dennoch eine positive Bewertung Martin Luthers und der Reformation durch die römisch-katholische Kirche ein überaus positives Signal, welches dem etwas verschlafen wirkenden ökumenischen Dialog wieder neues Leben einhauchen könnte.
Der heutige Geburtstags-Gottesdienst in der Augustinerkirche hat leider noch kein entsprechendes Signal ausgeschickt. Vielleicht ist aber ja an den Gerüchten doch etwas dran, und im September doch noch ein entsprechendes Zeichen aus Rom zu erwarten.
Ich würde das sehr begrüßen.
Ein weiterer Blog-Beitrag von mir zum Thema: ACK wird 60: alt oder jung?