Eine neue Studie der Bertelsmann-Stiftung, die am nächsten Dienstag unter dem Titel „Religions-Monitor 2008“ der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll, hat herausgefunden, dass 2/3 aller Deutschen sich als religiös einschätzen – auch, wenn sie nicht unbedingt jeden Sonntag in den Gottesdienst gehen. Besonders überraschend für die Studie: Mehr als 60% aller jungen Menschen zwischen 18 und 29 glauben an Gott oder etwas Göttliches und an ein Leben nach dem Tode – das sind mehr, als bei den über 60jährigen.
Dass sich dies nicht unbedingt in einer starken Kircheneintritts-Bewegung fest macht, ist allerdings auch nicht verwunderlich. Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, diagnostiziert als den Fehler, den die Kirchen gemacht haben: Sie hätten das Thema Glaube, welches das Kernthema von Kirche sein müsste, an die Stelle 2 ihrer Arbeit gestellt und das Thema Ethik an die Stelle 1; eigentlich müsste es umgekehrt sein. Schneider führt weiter aus, dass es ein weiterer Fehler der Kirchen sei, dass die Verkündigung des Glaubens zu abstrakt und geschichtlich geworden sei und zu wenig mit der Lebenspraxis der Menschen zu tun hätte, welche die Menschen verstünden.
Zu dem zweiten Argument kann ich ihm unumwunden zustimmen.
Bei seinem Argument Nr. 1 würde ich etwas anders argumentieren. Ich denke, die Kirchen haben das Thema Ethik in den Bereichen, wo es um die Sexualität des Menschen geht, zu sehr in den Vordergrund gestellt. Viele andere Bereiche der Ethik – ich denke an die Themen des Konziliaren Prozesses: Frieden, Gerechtigkeit, Schöpfungsbewahrung – können m.E. gar nicht wirklich an die zweite Stelle gestellt werden. Dazu sind sie zu wichtig, und dazu läuft uns auch – siehe Klimaschutz – zu sehr die Zeit davon.
Der Grundsatz „Ora et labora“, wie ihn bereits Benedikt von Nursia (+ 560) geprägt hat, und wie er mit „Kontemplation und Aktion“ oder „Mystik und Politik“ ein modernes Pendant gefunden hat, ist m.E. daher treffender. Denn sobald ich das Thema „Glaube“ wirklich konsequent und ernsthaft an die erste Stelle setze, wie es Präses Schneider fordert, werde ich die Themen des Konziliaren Prozesses m.E. gar nicht außer acht lassen können. Denn in ihrer Verwirklichung wird der Glaube praktisch.
Noch ein Hinweis: Ab dem 18. Dezember 2007 ab 18:00 Uhr können sich Interessierte unter www.religionsmonitor.com auf einer eigens eingerichteten Website der Bertelsmann-Stiftung ihr individuelles Religiositätsprofil erstellen lassen und mit dem Durchschnittswert im eigenen Land vergleichen.
Ich bin auf jeden Fall schon gespannt auf die Lektüre der Studie.
Beitrag in den Tagesthemen vom 16. Dezember 2007: Studie: Jeder fünfte Deutsche ist tief religiös