Ist Gott männlich zu definieren? Der Titel „Herr“ und der Eindruck, den man in vielen biblischen Texten gewinnen kann, scheinen dies nahezulegen. Die Rhetorik in meiner Frage lässt die Vermutung zu, dass ich einer solchen Definition nicht folgen würde. Sie ist mir zu einseitig. Und sie lässt u.a. auch außer Acht, dass ein großer Teil der erwähnten biblischen Texte von Männern in patriarchal geprägten Gesellschaften verfasst wurde – was gewisse Auswirkungen auf die Sichtweise gehabt haben dürfte, aus der heraus diese Männer ihre Texte verfasst haben. Allerdings finden sich auch zahlreiche Spuren in der Bibel, die einen anderen Blickwinkel eröffnen. Ich gehe in meinen Sonntagsgedanken an diesem Wochenende diesen Spuren vor dem Hintergrund der Lesungstexte aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom (Römer 10,8-13) und des Psalms 91 nach, die zwar beide mit dem Begriff „Herr“ arbeiten, aber gleichzeitig Seiten Gottes eröffnen, die eher von Barmherzigkeit und Sensibilität sprechen – Begriffe, die ich mir nicht unbedingt einfallen, wenn ich mit dem Titel „Herr“ zu tun habe.